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Bremerhaven Plus / Rückblick
Die letzte Fahrt der Bremerhavener Straßenbahn
Die Straßenbahn 1982 vor dem Hauptbahnhof. ©Heiko Jacobs/commons.wikimedia.org

Die letzte Fahrt der Bremerhavener Straßenbahn

Im gemütlichen Tempo ruckelte sie durch die Stadt. Das Rumpeln und Klingeln liegt sicherlich vielen Bremerhavenern noch im Ohr. Doch die letzte Fahrt der Bremerhavener Straßenbahn ist schon vierzig Jahre her: Am 30. Juli 1982 verschwand die „Elektrische“ aus dem Stadtbild.

Erste Straßenbahn rollt 1881

Dabei hatte die Straßenbahn kurz zuvor ihr 100-jähriges Bestehen gefeiert. 1881 rollen die ersten Bahnen zwischen Bremerhaven und Langen – damals noch von Pferden gezogen. 1908 ist das Streckennetz erheblich ausgebaut und statt auf Vierbeiner wird im Antrieb jetzt auf Strom gesetzt.

Die letzte Fahrt der Bremerhavener Straßenbahn
1895: Im Vordergrund ist eine Pferdebahn zu sehen, die gerade die Geestebrücke überquert hat. Foto: Public Domain

Fünf Linien verbinden die Stadtteile

Vor dem Ersten Weltkrieg führen fünf Linien durch die damals noch getrennten Städte Bremerhaven, Lehe und Geestemünde:

  • 1: Bremerhaven Marktplatz – Kaiserhafen
  • 2: Bahnhof Geestemünde – Depot Lehe
  • 3: Depot Wulsdorf – Bahnhof Lehe
  • 4: Fischereihafen – Rickmersstraße
  • 5: Depot Lehe – Speckenbüttel

Netz erreicht 1927 größte Ausdehnung

Seine größte Ausdehnung erreicht das Schienennetz 1927 mit dem Anschluss von Langen-Friedrichsruh. Damals misst es insgesamt rund 21 Kilometer. Kurz darauf wird die Linie 1 durch Autobusse ersetzt. Die Weltwirtschaftskrise trifft auch die Straßenbahn. Wegen der hohen Arbeitslosigkeit verzeichnet sie einen Rückgang der Fahrgäste. 1931 erfolgt die Stilllegung der Linie 4.

Autobus verdrängt die Straßenbahn

Den Zweiten Weltkrieg übersteht die Bremerhavener Straßenbahn ohne größere Schäden. Doch die Verkehrsbetriebe orientieren sich in den 1950er- und 1960er-Jahren stärker in Richtung Autobus – wegen dessen Unabhängigkeit von Schienen und Oberleitungen. Außerdem haben immer mehr Menschen ein eigenes Auto.

Die letzte Fahrt der Bremerhavener Straßenbahn

„Fischbahn“ wird eingestellt

1959 fährt die Linie 4 zum letzten Mal. Sie ist als „Fischbahn“ berüchtigt, da in ihr viele Arbeiter aus dem Fischereihafen unterwegs waren – und einen unverwechselbaren Geruch in den Wagen zurückließen. Die Linie 2 wird ebenfalls 1959 durch Busse ersetzt. 1960 verlieren Wulsdorf und der Fischereihafen ihren Straßenbahn-Anschluss. Die Linie 3 endet nun am Hauptbahnhof.

Die letzte Fahrt der Bremerhavener Straßenbahn
Die Linie 3 verkehrt 1963 zum letzten Mal zwischen dem Bahnhof Lehe und dem Hauptbahnhof. Foto: Verkehrsgesellschaft Bremerhaven

Immer mehr Linien verschwinden

Der Trend setzt sich fort. Ab 1960 verkehren nur noch die Linie 2 von Langen über Lehe bis zum Hauptbahnhof und die Linie 3 von Lehe über den Roten Sand bis zum Hauptbahnhof. Die Linie 3 wird dann 1963 ganz eingestellt. Die Straßenbahn verliert immer weiter an Bedeutung. 1977 fährt die letzte verbleibende Linie 2 nur noch werktags und nicht mehr in den Abendstunden.

Straßenbahn fehlen die Fahrgäste

Die Bremer Verkehrsgesellschaft betrachtet das Verkehrsmittel immer mehr als unrentabel. Experten sehen keine Zukunft mehr für die Bremerhavener Tram. Die Stadt sei zu klein dafür, außerdem seien Busse praktischer. 1981 beschließt die Verkehrsgesellschaft das Aus für die letzte Linie.

Bremerhavener kämpfen für „ihre“ Straßenbahn

Viele Bremerhavener wehren sich gegen den Verlust „ihrer“ Straßenbahn und sammeln Unterschriften dagegen. Ohne Erfolg. Verkehrsgesellschaft und Politik sind sich einig, dass dieses Kapitel der Stadtgeschichte mit der Umstellung auf den Winterfahrplan 1982 enden sollte. Einen lebendigen Einblick gibt ein Video-Bericht über die Straßenbahn und die Stimmung in der Bevölkerung 1980: https://bit.ly/3KQRYUN

Die letzte Fahrt der Bremerhavener Straßenbahn
So kennen viele Bremerhavener noch die Fußgängerzone: 1982 begegnen sich dort zwei Bahnen der Linie 2. Foto: Paul 1881/commons.wikimedia.org

Letzte Fahrt im Schritttempo

Um 19.21 Uhr fährt die letzte Straßenbahn am 30. Juli 1982 vom Hauptbahnhof in Richtung Langen ab. Den Bremerhavenern geht der Abschied sichtlich nahe. Die Bahn trägt eine Trauerschleife und wird von vielen Menschen zu Fuß begleitet. So vielen, dass die Bahn nur im Schritttempo vorankommt und der Verkehr sich staut. Auf dem Theodor-Heuß-Platz findet gleichzeitig eine „Trauerfeier“ für sie statt.

Die Bremerhavener Straßenbahn heute

Auch vierzig Jahre später finden sich in Bremerhaven noch Hinterlassenschaften der Straßenbahn. So sind zum Beispiel in der Kaistraße und der Borriesstraße in Geestemünde noch Schienen zu erkennen. Am Wulsdorfer Heinrich-Kappelmann-Platz steht ein ehemaliges Straßenbahn-Depot. Einige Trieb- und Beiwagen aus Bremerhaven können heute im Hannoverschen Straßenbahn-Museum in Sehnde-Wehmingen besichtigt werden. Zwei Trieb- und ein Beiwagen stehen am Bahnhof Heinschenwalde auf dem Abstellgleis. Allerdings haben ihnen Wetter und Vandalismus in den vergangenen Jahren stark zugesetzt.

Die letzte Fahrt der Bremerhavener Straßenbahn
Seit 2010 stehen ehemalige Wagen der Bremerhavener Straßenbahn am Bahnhof Heinschenwalde – und sind dort Wetter und Vandalismus ausgesetzt. Foto: Hannes Grobe

Neue Forderungen nach einer Straßenbahn für Bremerhaven

Das Thema Straßenbahn ist in Bremerhaven aber damit nicht vom Tisch. Im Gegenteil: Aktuell will die Stadt ein Gutachten über Kosten und Nutzen einer möglichen Wiedereinführung anfertigen lassen. Denn als Teil einer ökologischen Verkehrswende könnte die Bundesregierung solch ein Vorhaben massiv finanziell unterstützen. Mehrere Initiativen in der Stadt setzen sich für die Wiedereinführung ein. Auch in der Politik gibt es Unterstützer. Verschiedene Städte in Deutschland und den Nachbarländern haben gezeigt, dass der Neustart einer Straßenbahn sehr erfolgreich verlaufen kann.


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